Die Verfassung der Strände
„Die Verfassung der Strände“ von Stephan Lack
Eröffnung des Heidelberger Stückemarkts 2012, Uraufführung, Theater Heidelberg, Premiere am 27.4.12
Regie: Marie Bues, Bühne: Johanna Fritz, Kostüme: Floor Savelkoul, Musik: Anton Berman, Dramaturgie: Petra Thöring
Mit: Evamaria Salcher, Friedrich Witte, Nicole Averkamp, Jonas Schlagowsky und Benedict Crisand
Die Verfassung der Strände: Eine Bestandsaufnahme unserer Meere. Mit Sprachgefühl entlarvt Stephan Lack die inhaltsleere Krisenrhetorik der Ökonomie. Ein rauschhafter Text, der von einem stillen Wässerchen zu einem Orkan anschwillt. Und die Sintflut kommt nicht immer nach uns. Manchmal holt sie uns ein.
Presse:
„Der österreichische Autor Stephan Lack reiht eine Katastrophe an die andere. Und er tut es in einer geschliffenen Sprache, die der Finsternis einen kalauernden Wortwitz entgegensetzt. Johanna Fritz hat mit Balken auf der Zwingerbühne ein Rechteckmuster ausgelegt, in dem das Fortkommen zum Balanceakt wird. Fünf Schauspieler widmen dem Text eine bemerkenswerte Sprachkonzentration, und die Regie von Marie Bues beweist großen Einfallsreichtum in der szenischen Bewirtschaftung dieser Wortfelder. Sie knüpft die fünf autonomen Szenen geschickt aneinander, findet präzise den Tonfall knapp oberhalb der Irrsinnslinie, formiert das Ensemble in wechselnden Koalitionen. Mit diesen Mitteln lässt Bues den Beklemmungspegel beständig steigen, bis eine Blendung am Ende eine Katastrophe andeutet, die vielleicht doch irgendwann die letzte sein könnte. So entlässt die Inszenierung das beeindruckte Publikum als Gemeinde der Davongekommenen.“ Darmstädter Echo
„Aufgewühlt wie dieses Meer ist auch die Sprache des Wiener Dramatikers Stephan Lack (Jahrgang 1981), auf dessen Textfläche die Wogen infolge von Wortakrobatik und Sprachwitz hoch gehen. Allerdings wird dieser Taumel gekonnt in Szene gesetzt. Die Darsteller Nicole Averkamp, Benedikt Crisand, Evamaria Salcher, Jonas Schlagowsky und Friedrich Witte rutschen bei ihren Berichten zwar ständig wortspielerisch von einer sprachlichen Bedeutungsebene auf die nächste – und damit oftmals auf eine gegensätzliche –, aber diese Irrfahrt wird auch immer wieder durch chorisches Sprechen sowie choreographierte Bewegung aufgefangen und in Form gebracht. Da weht mitunter ein Wind aus der Antike in die Gegenwart und verbindet das Umwelthorrorszenario des Globalisierungszeitalters mit der Ausweglosigkeit der griechischen Tragödie.
Während der Heidelberger Uraufführung wurde zu meist rhythmisch getakteter, bisweilen auch melancholischer Musik (Anton Berman) mit durchweg sehr guten Schauspielerleistungen ein turbulenter, ebenso verwirrender wie klarsichtiger Wildwassertrip geboten, bei dem die Besucher oft an die Reling gedrückt wurden und schon mal einen unterhaltsamen Blick in die Tiefen des Weltuntergangs riskieren konnten. Starker Applaus.
Rhein-Neckar-Zeit
„Die bemerkenswerten Kostüme von Floor Savelkoul changieren zwischen Gewändern für die klassische Aufführung einer griechischen Tragödie und den schwarzglitzernden Roben endzeitlicher Herren und Herrinnen der Finsternis . So widerlich die Sprache auch ist, gerade wenn sie zu haltlosem Gekicher reizt, so sehr entlarvt sie, wie Politik, Medien und Wirtschaft es schaffen, unsagbare humanitäre und ökologische Aus- und Unfälle in leicht verdauliche Sprache zu überführen.“ Frankfurter Rundschau
„Autor Stephan Lack hat das germanische Angstgebirge aufgetürmt und ein Monster von einem Text geschaffen. Vorgeführt wird die Larmoyanz der Wohlstandsmenschen und zugleich ad absurdum geführt. Die entscheidende Frage ist: Wie legt man so einen sprachlichen wie gedanklichen Rundumschlag an? Eine Sternstunde für die Regisseurin Marie Bues. Sie hat die nötige Phantasie in überbordender Fülle, diesem Brocken von Text eine Struktur, Bilder und spielbare Dramatik zu geben. Die fünf Akteure, zwei Frauen und drei Männer, stecken in Strumpfhosen mit Slip oder Unterhosen darüber, treten in schwarzen Grufti-Monsterkostümen auf, führen ihre Seelchen und im fliegenden Wechsel ihre manipulativen Machtgelüste vor, im Chor und als Solisten.
Regisseurin Bues fordert von Nicole Averkamp, Benedikt Crisand, Evamaria Salcher, Jonas Schlagowsky und Friedrich Witte eine breite Skala rasch wechselnder Ausdrucksmittel: die kleine fast unmerkliche Geste, große, raumgreifende Expressivität, Schiller’sche Dramatik, Slapstick-, Comedy- und Revue-Elemente. Immer wieder ein doppeltes Spiel: Posse und Ernst, laut und leise, Lächerlichkeit und ein Anflug von Würde.“
nachtkritik.de