Der Hund des alten Mannes
„Der Hund des alten Mannes“ von Oliver Kluck
Uraufführung, Premiere: 8.5.14, Theater Rampe Stuttgart
Regie: Marie Bues, Ausstattung: Indra Nauck, Dramaturgie: Martina Grohmann
Mit: Niko Eleftheriadis, Stefan Wancura, Monika Wiedemer
http://theaterrampe.de/stuecke/ein-neuer-text-von-oliver-kluck/?show=all
Arbeiten oder arbeiten lassen, oder aber andere für sich arbeiten lassen? Es ist alles nur eine Frage des Marktes, der Vermarktung bzw. Selbstvermarktung. Große Söhne der Automobilindustrie geben bereitwillig Auskunft über ihre dunkle Geschichte, das große Erbe, ihr geheimes Begehren, über ihren hart erarbeiteten oder schwer verschuldeten Platz in der deutschen Kultur. Dazu betreten sie gerne die Bühne der Selbstdarstellung, der Öffentlichkeit, der Medien oder – wie hier – des Theaters. Wie präsentiert sich eine erfolgreiche Unternehmensgeschichte? Der Autor dieses Textes hat einen Auftrag und muss auch von etwas leben, also zitiert er die heran, von denen wir lernen können. Er lässt sie vom Fließband seines Schreibtischs direkt in die Theaterfabrik laufen, wo Schauspieler sie sich einverleiben können.
In einer großen Revue erleben Sie den Kreislauf des Marktes, das Geheimnis des Erfolgs, Bühnenzauber und ehrlichen Existenzkampf.
Ankündigung
[.. Schon immer habe Susanne Klatten das Bahnhofshotel auf eine besondere Weise geschätzt. Es sei für die von allen Erkannte ein außergewöhnlicher Ort. Ein Ort, an dem sie, fern aller Zwänge, die das Leben als Fabrikantentochter mit sich führt, ganz und gar unerkannt für sich sein kann ..]
Die Freude an der Betrachtung. Sich gerade nicht dem Markt entziehen, wie zuvor sooft versucht, sondern erst recht dabei sein wollen. Bedingungslose Anteilnahme. Dienen. Erste Verabredung im Sommer 13. Mehrmonatige Vertragsverhandlungen zwischen Theater und Verlag. Ergebnis. Auftragshonorar irgendetwas bei 4 tsd. Euro für ein so genanntes abendfüllendes Theaterstück zur exklusiven Uraufführung. Hier bei uns am Haus. Konzeptionsgespräch Inhalt. Wohnzimmer Bar, Lettestraße 6. Schankbeleg. Quittung. Konzeption Bühne im Januar 14. Auswahl Schauspieler. Verpflichtung. Verträge. Ende Januar Zahlungseingang der ersten Rate auf dem Konto des Verlages. Anfang Februar Anfrage zum Inhalt des Stoffes. Ankündigungstexte. Werbemaßnahmen. Erwartung. Zusammenfassung. Inhalt. Letzte Februarwoche Beginn der Schreibarbeiten, erste Skizzen. Monatelang hatte ich mich wie ein Kind geärgert, fand ich keinen Weg aus der Verweigerung. Plötzlich geht alles wie von alleine. Erster März Ablieferungstermin. Erneute Verweigerung. Rückfall. Entzug. Zutreffend und richtig. Auf der Seite des Theater Rampe wird etwas zum Aufstieg und Erreichen der Fallhöhe angekündigt. Die Dramaturgin Grohmann schreibt, um den Verkaufswert, das Theater, Karriere und Krise solle es gehen. Damit bin ich absolut einverstanden. Ab sofort. Nur noch einverstanden sein wollen. Überwindung von Trotz und Stolz. Erniedrigung. Auslöschung. Vertragsgerechte Ablieferung des Textes Anfang März. Zeitgleich. Beginn der Schreibarbeiten, verfassen von ersten Kapiteln. Ausbau der Stoffsammlung. Anfertigung weiterer Skizzen. Vollzug. Ausführung.
Trailer: http://vimeo.com/94424262
Presse:
Lea Melcher schreibt in den Stuttgarter Nachrichten zu
Oliver Klucks ‘Der Hund des Alten Mannes’ im Theater Rampe:
‘So von Brecht zu Hund’
“Es riecht nach Sauerkraut. Während Monika Wiedemer im hinteren Bereich der Bühne singt, hockt Niko Eleftheriadis unter ihrem wallenden Prinzessinnenrock und bewegt ihn zu ihren Gesten passend. Vorne, direkt vor der ersten Reihe, sitzt Stefan Wancura und isst mit Fingern Sauerkraut aus einer Dose. Immer wieder seufzt er genießerisch und bietet dem Publikum die Dose an.
Was wirkt, wie der letzte absurde Einfall der Werbebranche, ist in Wahrheit die Uraufführung von Oliver Klucks Theaterstück ‘Der Hund des Alten Mannes’ am Donnerstag im Theater Rampe.
Obwohl man mit dieser Assoziation gar nicht mal falsch liegt: Die drei Schauspieler wechseln zwischen Werbeträgern, die in Turnanzügen zu Madonnas ‘Hung Up’ tanzen, zu jovialen Großunternehmern oder Fabrikarbeitern, die mit monotoner Stimme von Missbehandlung und Unmenschlichkeit in ihren Betrieben erzählen.
Das Stück des 1980 auf der Insel Rügen geborenen Autors kommt ohne eine strukturierte Handlung aus. In fließenden Übergängen äußern die Schauspieler Gedanken über Kapitalismus, Integrität und das Theater an sich – mal scheinbar ans Publikum gerichtet, mal wenden sie sich an Persönlichkeiten wie Bertolt Brecht, Ferdinand Porsche oder Wolfgang Joop.
Immer wieder treten die Schauspieler als Hund auf, hechelnd und winselnd oder wenn sie sich Hundemasken vor das Gesicht halten und Bertolt Brecht adressieren, ‘so von Brecht zu Hund’. Als ein Hund sich schließlich aufrichtet, um eine Rede zu halten, darf eine kurze Hitler-Einlage bei einer solch vollkommenen Abrechnung mit der deutschen Heuchelei nicht fehlen.
Und Oliver Kluck rechnet mit allem ab, was er zu fassen bekommt – Kapitalisten, Schriftsteller, Theatermacher: ‘diese Größenwahnsinnigen. Diese Opportunisten. Diese Applausklatscher. Diese Massenbespaßer. Diese Verkäufer vieler Karten.’
Scheinbar unendlich ziehen sich die Assoziationsketten hin. Jede Alternative scheint schlechter als die vorherige, die einem doch so treffend erschien. Daher ist an keinem Punkt eine Identifikation mit dem Vorgetragenen möglich – höchstens eine Betroffenheit. Und eine Faszination.
Als schließlich noch ein leeres Gurkenglas der Firma Hengstenberg herumgereicht wird, um Geld für die Assistentin zu sammeln, die man – in bester Großunternehmer-Manier – leider, leider nicht bezahlen könne, erreicht die Darstellung genialischen Charakter.
Regisseurin Marie Bues gelingt es, eine komplexe Textgrundlage in eine starke und häufig ironische Inszenierung zu verwandeln, die vor Details nur so strotzt. Begeisterung – selbst, wenn man letzten Endes zum Hund gemacht wird”
„Wie sich Gesellschaft in Sprache abbildet, das ist das Thema des Stücks. Es bombardiert das Publikum mit Sprachhülsen. Klucks Text ist ein Sammelsurium von zu vielem, es mangelt an Verdichtung. Und doch beleuchtet er grell und spöttisch gesellschaftliche Wirklichkeit. Oliver Kluck macht das übrigens nie bierernst, sondern mit viel Witz.“
Stuttgarter Zeitung
„Zwangsarbeit, Theaterlandschaft, Ausbeutung, Total-Ökonomisierung, Autorsein, Automobilindustrie, Bertolt Brecht, Ferdinand Porsche, lahme Phrasen, miese Ausreden, allgemeine Scheinheiligkeit: Der Shitstorm von Schlechte-Laune-Missionar und Nestbeschmutzer Oliver Kluck ist ein Rundumschlag gegen alles. (…) Indra Nauck (Ausstattung) setzt dem vollmundigen Text einen hohlen Holzwerkstattquader entgegen, der durchaus auf den Experimentalcharakter des Stücks verweisen könnte. (…) Niko Eleftheriadis repräsentiert mit rotem Blaumann und Mercedes-Kappe die Arbeiterklasse, die viel jammert, aber sich nicht rührt. Stefan Wancura tritt in glitschig blauer Hose auf und Monika Wiedemer als Dame in Weiß. Das Trio gestaltet abwechselnd anklagend, betroffen, ironisch oder sarkastisch den „kabarettistischen Abend mit grotesken Elementen“, nimmt aber den Text insgesamt eher ernst.“
nachtkritik